Mit fortschreitender Entwicklung der Gefiillchirurgie und der anästhesiologisch-intensivmedizinischen Möglichkeiten wird eine zunehmende Zahl rekonstruktiver Eingriffe im Bereich der abdominellen Aorta vorgenommen. Dabei sind präoperative Erektionsstörungen im Rahmen einer allgemeinen Angiosklerose nur in sehr beschranktem Malle operativ behebbar. Eventuell können isolierte Verschlüsse im Versorgungsgebiet der A. iliaca interna einer gleichzeitigen operativen Korrektur zugeführt werden. Postoperativ erst aufgetretene Störungen der Erektion hingegen sind nach prothetischem Aortenersatz wesentlich seltener als Ejakulationsstörungen. Letztere dürfen in erster Linie auf eine Schädigung des sympathischen Plexus hypogastricus superior durch die Operation zurückzuführen sein, wie dies auch nach radikaler retroperitonealer Lymphadenektomie zur Behandlung nichtseminomatöser Hodentumoren bekannt ist. Bei jungen Männern führt diese Operation selten zu einer Beeinträchtigung der Erektion, mit Ejakulationsstörungen hingegen muss in bis zu 90 % der Falle gerechnet werden. Für altere Männer mit abgeschlossener Familienplanung durfte die harmlose postoperative retrograde Ejakulation nicht bedeutsam sein, dagegen beeinträchtigt eine postoperative Erektionsstörung die Lebensqualität. Warum gerade bei diesem doch älteren Patientenklientel häufiger Erektionsstörungen (ca. 17 %) als bei jungen Patienten auftreten, ist unklar. Es wird vermutet, dass die Sympathikusschädigung zu einer vermehrten Extremitätendurchblutung und damit zu einem vaskulären Steal-Phänomen der Versorgung des inneren Genitales führt, die sich insbesondere bei reduzierter Durchblutung zusätzlich ungünstig auswirkt. Auch die hohe lumbale Sympathektomie mit bilateraler Exzision der Grenzstrangganglien TH12, L1 und L2 soll das Auftreten einer Erektionsstörung zur Folge haben [20]. Ein ähnlicher Mechanismus könnte auch für Erektionsstörungen bei Wirbelsäuleneisgriffen (Spondylodesis anterior) verantwortlich sein. A. V. Hochstetter [17] hat zur Vermeidung dieser neurogenen Störungen einen retromesenterialen Zugang zum aortoiliakalen Bereich empfohlen, der postoperative Ejakulationsstörungen von 81 % auf 20 % senken konnte, postoperative Erektionsstörungen jedoch nur von 17 % auf 12 % bei unterschiedlich großen Vergleichskollektiven. Zusammenfassend sollten vor aortoiliakalen Gefäßeingriffen Patienten über das mögliche Auftreten von Ejakulationsstörungen und über die wesentlich selteneren Erektionsstörungen aufgeklart werden.
Nach Radikaloperationen wegen eines Rektumkarzinoms muss mit dem Auftreten postoperativer erektilen Dysfunktion gerechnet werden, wobei diese wesentlich häufiger nach abdominoperinealer Rektumamputation auftreten als nach kontinenzerhaltender anteriorer Rektumresektion. Die Schädigung ist nerval durch Verletzung der im Gefäß-Nerven-Bündel in den lateralen Anteilen der Prostata verlaufenden Parasympathikus-Ästen aus S2-S4 zu verstehen, aber auch vaskulär-arterielle Beteiligungen der Pudendalarterien sind denkbar. Bei ausgedehnterer Schädigung parasympathischer Strukturen können postoperativ auch neurogene Blasenentleerungsstörungen gefunden werden. Spezielle erektionsprotektive Operationstechniken wurden von Stelzner [22] entwickelt, sind jedoch je nach Tumorlage und Ausdehnung nicht immer erfolgreich anwendbar. Wahrend bei malignen Erkrankungen mit Erektionsstörungen um 25 % gerechnet werden muss, liegt die Rate bei der kolorektalen Chirurgie der benignen Erkrankungen (Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) nur bei etwa 2–4 %. Bei der Tumorchirurgie besteht eine deutliche Altersabhängigkeit der postoperativen Erektionsstörungen. Bei Patienten, die zum Operationszeitpunkt alter als 70 Jahre alt waren, wurde über eine Impotenzrate von 100 % berichtet. Spontane Erholungen der Erektionsfähigkeit sind noch bis zu etwa einem Jahr nach der Operation möglich. Im Allgemeinen liegt bei Erektionsstörungen nach abdominoperinealen Eingriffen ein Ansprechen auf vasoaktive Substanzen vor (4 Patienten im eigenen Krankengut).
In früheren Jahren war nach radikaler Entfernung der Prostata wegen eines 10-kalkulablen Prostatakarzinoms mit Erektionsstörungen in der Größenordnung von 60 % (85 %) zu rechnen. Nach Zystoprostatovesikulektomie wegen eines Harnblasenkarzinoms lag die Rate postoperativer Erektionsstörungen sogar bei 100 %. Walsh [25] stellte eine neue Operationstechnik vor, die eine Identifizierung und Schonung des Gefäß-Nerven-Bündels, welches in den lateralen Anteilen der Prostata-Faszie verläuft, erlaubt. Beim nicht Kapsel infiltrierenden Prostatakarzinom konnte die Rate postoperativer Erektionsstörungen bis auf 15 % gesenkt werden. Nach radikaler Zystoprostatovesikulektomie konnte die Rate postoperativer Erektionsstörungen auf 67 % gesenkt werden. Obwohl anhand des Verletzungsmechanismus eine Kombination arterieller und neurogener Faktoren zu vermuten ist, sollte nicht auf die Diagnostik verzichtet werden. Bei Nachweis einer arteriellen Durchblutungsstörung wurde über positive Ergebnisse einer arteriellen Revaskularisation berichtet. Im Allgemeinen ist nach radikaler Prostatektomie ein Ansprechen auf vasoaktive Substanzen gegeben (10 Patienten im eigenen Krankengut). Nach radikaler Zystoprostatovesikulektomie wurden SKAT-Responder und SKAT-non-Responder gesehen. Spontane Erholungen der Erektionsfähigkeit scheinen auch noch nach sehr langer Zeit möglich zu sein, wie die folgende Kasuistik verdeutlicht:
Bei einem 62-jährigen Patienten wird wegen eines lokal beschrankten Prostatakarzinoms im Juni 1988 eine radikale Prostatektomie durchgeführt. Eine SKAT-Therapie wird 8 Monate postoperativ mit 1 ml eines Papaverin-Phentolamin-Gemisches (15 mg Papaverin/0,5 mg Phentolamin) begonnen, da mit einer spontanen Erholung der Erektionsfähigkeit nicht mehr gerechnet wird. Der Patient wird regelmäßig nachkontrolliert. Nach einem Jahr stellt er sich nicht mehr in der andrologischen Sprechstunde vor. Im Januar 1991 wird der andernorts weiterbetreute Patient zufällig bei einer Tumornachsorge gesehen. Die Nachsorgeuntersuchung ergibt keinen Anhalt für eine Progression des Grundleidens. Auf die früher durchgeführte SKAT-Therapie angesprochen, gibt der Patient eine vollständige Rückkehr der Erektionsfähigkeit nach einer SKAT-Therapie von einem Jahr an.
Literaturangaben zur Inzidenz von Erektionsstörungen nach transurethraler Prostataresektion wegen eines Prostataadenoms sind widersprüchlich (Tabelle 4.1). Es gilt zudem zu beachten, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil des im allgemeinen älteren Patientenkollektivs bereits präoperativ eine Beeinträchtigung der erektilen Funktion haben konnte. Jameson [7] berichtete über eine Inzidenz erektiler Funktionsstörungen von 4 % bei 1600 Patienten. Gold [6] berichtete über Impotenzraten von 10 bis 66 % je nach Lebensalter. In der Gruppe der 50- bis 60-Jährigen lag die Rate postoperativer erektiler Funktionsstörungen bei 10 %, allerdings berichteten 10 % der Patienten auch über eine Verbesserung der Erektion postoperativ. In der Gruppe der 70- bis 80-Jährigen lag die Rate der postoperativen Erektionsstörungen bei 66 %, womit eine deutliche Altersabhängigkeit der Inzidenz von Erektionsstörungen nach Prostataresektion aufgezeigt wurde.
Tabelle 4.1. Inzidenz erektiler Funktionsstörungen nach TURP (Literaturübersicht)
Die Operationstechnik (suprapubische Adenomektomie oder transurethrale Prostataresektion) beeinflusste dabei die Manifestationsrate nicht. Libman [13] kritisierte die methodischen Schwachen aller bisher durchgeführten Studien zur Inzidenz von Erektionsstörungen nach Prostataresektion. Alle Studien entbehren der prä- und postoperativen Bestimmung objektiver Parameter. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine exzessive Elektrokoagulation in der 5- und 7-Uhr-Position eine negative Auswirkung auf die kavernosen Nerven mit sekundärer erektiler Dysfunktion bei einem Teil der Patienten haben kann [7]. Im eigenen Krankengut war bei 8 von 10 Patienten, die sich wegen Erektionsstörung nach transurethraler Prostataresektion vorstellten, ein Ansprechen auf vasoaktive Substanzen nicht oder unzureichend gegeben (Abb. 4.7). Ein weiteres Beispiel für eine objektive negative Beeinflussung der Erektion durch eine Prostataresektion gibt folgende Kasuistik:
Bei einem 75-jährigen, biologisch wesentlich jüngeren Patienten wird wegen erektiler Dysfunktion seit 6 Monaten eine SKAT-Therapie mit einem Papaverin-Phentolamin-Gemisch (30 mg Papaverin / 1 mg Phentolamin) durchgeführt. Mit der eingesetzten Dosis lässt sich eine voll rigide Erektion von 1 h Dauer provozieren. Wegen zunehmender Miktionsbeschwerden muss eine transurethrale Prostataresektion vorgenommen werden. Der Patient stellt sich 3 Monate postoperativ in der andrologischen Sprechstunde vor und behauptet, die Injektionen würden jetzt nicht mehr funktionieren. Es werden bei selbst durchgeführten Tests bis zu 4 ml eines Papaverin-Phentolamin-Gemisches (60 mg Papaverin / 2 mg Phentolamin) injiziert, jedoch ohne Erfolg. Anschließend werden bis zu 40 mg Prostaglandin injiziert, auch dies zeigt keinen Erfolg. Es gelingt schließlich, mit einem Papaverin-Phentolamin-Prostaglandin-E1-Gemisch erneut für eine Kohabitation ausreichende Erektionen zu provozieren. Der Patient führt anschließend die Therapie mit dieser Mischung fort.
Abb. 4.7. 65-jähriger Patient mit erektiler Dysfunktion nach transurethraler Prostataresektion (Resektionsgewicht 26 g); SKAT-non-Responder; kavernosographisch Abstrom des Kontrastmittels über den periprostatischen Plexus.
Das Auftreten erektiler Funktionsstörungen nach Beckenbestrahlung ist besonders bei Strahlentherapie des Prostatakarzinoms eine aufklarungspflichtige Komplikationsmoglichkeit. Die Angaben über die Häufigkeit schwanken zwischen 22-84 % [20]. Für die interstitielle Bestrahlung soll die Häufigkeit postoperativer Sexualstörungen günstiger liegen [5]. Nach Goldstein [6] soll die Strahlentherapie arteriosklerotische Veränderungen in den Beckenarterien beschleunigen. Die damit induzierten Erektionsstörungen waren demnach hauptsächlich arterieller Ursache. Das teilweise abrupte Auftreten der Beschwerden mit Beginn der Therapie bei einem Teil der Patienten lässt aber auch Zweifel an dieser Hypothese berechtigt erscheinen. Bei der radikalen Prostatektomie zuvor radiotherapierter Patienten findet sich das Gefäß-Nerven-Bündel in einer dicken Narbenplatte, sodass auch ein Kompressionsverschluss der Arterien in diesem Bereich möglich erscheint.
Bei etwa 50 % der Patienten mit Diabetes mellitus ist mit dem Auftreten einer erektilen Dysfunktion im Verlaufe ihrer Erkrankung zu rechnen [18]. Auch können Erektionsstörungen erste klinische Manifestation eines noch nicht bekannten Diabetes mellitus sein. Ätiologisch müssen an organischen Faktoren eine Mikro- und Makroangiopathie der penilen Gefäße, eine Neuropathie, aber auch Schaden im kavernosen Gewebe [13] bei der Abklärung in die differenzialdiagnostischen Oberlegungen einbezogen werden. An In-vitro-Studien von isolierten Corpus-cavernosum-Streifen impotenter Diabetiker konnte zudem gezeigt werden, dass die endothelabhängige Relaxation des Gewebes abgeschwächt war [24]. Bei der Diagnostik werden SKAT-Responder und SKAT-non-Responder gefunden. Die Abklärung sollte unbedingt eine Blasenfunktionsuntersuchung beinhalten, da eine Blasenentleerungsstörung erstes Zeichen einer vegetativen Neuropathie sein kann. Therapeutisch wurden im eigenen Krankengut bei SKAT-Responders bevorzugt die SKAT, bei Non-Respondern eine Vakuumsaugpumpe (EHS) als Therapieoption eingesetzt. Andere Arbeitsgruppen bevorzugen sogar generell den Einsatz der Vakuumpumpe [18]. Hauri [9] berichtete über gute Erfolge einer arteriellen Revaskularisation der Penisgefälle. Wegen der unzureichenden Erfassung vegetativer Neuropathien und dem lichtmikroskopisch nachgewiesenen Schaden im kavernosen Gewebe bei Patienten mit Diabetes mellitus wird von anderen Autoren jedoch zur operativen Zurückhaltung bei dieser Erkrankung gemahnt.
Eine Zusammenstellung von Price et al. [18] kritisiert das derzeit noch vorhandene Informationsdefizit bei der Behandlung der erektilen Dysfunktion sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten. Obwohl die meisten Patienten mit erektiler Dysfunktion eine Behandlung wünschten, sprachen sie nur selten ihren Hausarzt auf dieses Problem an oder erhielten von ihrem Arzt bloß unbrauchbare Ratschläge [12].
Bei der zum Formenkreis der Kollagenosen gerechneten Sklerodermie wird auch über das Auftreten von Erektionsstörungen berichtet [17]. Kontrastmittelaussparungen im Cavernosogramm [18] und lichtmikroskopisch nachweisbare lokale Anhäufungen von kollagenem Bindegewebe [23] im Schwellkörper sprechen dabei für eine organische Ursache im Sinne einer kavernosen Fibrose. Wegen des bei diesen Patienten gehäuften Auftretens eines Raynaud-Phänomens im Bereich der Hände erscheint zudem eine sekundäre Arteriopathie als ätiopathogenetisch relevanter Faktor möglich. Therapeutisch werden bei der meist ungünstig verlaufenden Grunderkrankung D-Penizillamin und Kortikosteroide eingesetzt, jedoch liegen kaum Angaben zum Wert dieser Therapie zur Beeinflussung der erektilen Dysfunktion vor. Vereinzelt wurde über die wegen der extensiven kavernosen Fibrose schwierige Implantation einer Penisprothese, aber auch über den Prothesenausbau wegen postoperativer Glansnekrose [1] berichtet. In jedem Fall scheint eine interdisziplinäre Therapieplanung mit Berücksichtigung der Gesamtprognose sinnvoll.
Verletzungen des Penis oder benachbarter Strukturen und Erkrankungen des Schwellkörpers können mit einer erektilen Dysfunktion einhergehen. Dies muss bei der Anamnese und klinischen Untersuchung berücksichtigt werden. Eine erektile Dysfunktion kann auch Folge therapeutischer Bingriffe sein, vorüber der Patient präoperativ aufzuklaren ist. Beim Diabetes mellitus muss bei jedem zweiten Patienten mit dem Auftreten einer erektilen Dysfunktion im Verlaufe der Erkrankung gerechnet werden.
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